· 

Fachkräfte am Theater- ein Interview in der Zeitschrift Die Deutschen Bühne

Ist Fachkräftemangel ein theaterspezifisches Problem?

 

Fachkräftemangel ist kein spezifisches Theaterproblem, aber da Theater Orte sind an denen Fachmenschen unterschiedlichster Gewerke besonderen Einfluss auf eine Ensembleleistung haben, trifft es die Theater mit besonderer Härte. Wir erleben eine vollständige Veränderung der Arbeitswelt und die Diskussionen über work-life-balance und linearer Lebensplanung haben die Theater längst erreicht, werden aber leider nicht mit der nötigen Leidenschaft besprochen. Theater sind absolut die richtigen Orte für diese Art der gesellschaftlichen Diskussion und gerade hier müssten die Weichen für moderne (Arbeits- und Lebens-) Orte gestellt werden. Vor dreißig Jahren hat man uns erzählt, das Computer die Arbeit erledigen und wir deutlich mehr Freizeit haben werden. Nun haben wir deutlich mehr Vorstellungen und erledigen teilweise irrwitzige bürokratische Vorgänge mit unhinterfragter Selbstverständlichkeit. Ein Rückgang von Arbeit ist in näherer Zukunft nicht in Sicht. An den Prioritäten müssen wir aber progressiv arbeiten.

Man kann die Theater nicht aus den gesellschaftlichen Entwicklungen heraus denken. Inzwischen hört man, dass sich Theater bei öffentlichen Diskussionen zurückhalten sollen und nichts zu fordern haben. Ich frage mich, wessen neoliberaler oder rückwärtsgewandter Wahnsinn da vom Irrsinn befallen ist! 

Umgekehrt wird ein Schuh draus. 

Letztendlich wirkt sich das auch auf die Arbeitsplätze aus. Wir brauchen die besten  (Arbeits- und Lebens-)Orte, nicht geduldete. Der Mangel an Wertschätzung der Mitarbeitenden macht die teilweise hochkreativen Berufe hinter der Bühne nicht unbedingt attraktiver.

 

 

Wie müsste konkret mit den Theatern verfahren werden?

Es geht in Zeiten der Digitalisierung um Hard- und Software und um klare politische Entscheidungen. Die Hardware sind die Häuser, die teilweise alles andere sind als moderne Arbeitsplätze - und das seit langer Zeit. Dafür sind die Theaterleitungen nicht immer direkt verantwortlich und ich kann die künstlerische Leitung eines Hauses verstehen, die sagt, ich will hier Theater machen und nicht die Hälfte meiner Vertragszeit im Zelt verbringen. Verständlich, aber nicht nützlich und wenig nachhaltig, wenn ich das Wort  benutzen darf. Das war und ist mindestens zu kurz gedacht und hat die Theaterlandschaft erheblich beschädigt, vor allem im ländlichen Raum und nicht nur in Häusern mir eigenem Ensemble. Die sparende Politik hatte leichtes Spiel und hat Posten nach Sparwillen besetzt und nicht nach Konzept. Die Verwalter siegten- hoffentlich nicht dauerhaft- über die Kreativen in Kunst und Technik. Ein Theater ist mehr als Amt 46.

Theaterbauten waren historisch Orte, an denen besondere und innovative Technik zuerst zum Einsatz kam, sie waren auch immer  Orte einer aktiven Entwicklung von Stadtgesellschaften. In Berlin waren die Theater elektrifiziert, lange bevor die Strassenbahnen elektrisch fuhren. Das macht auch etwas mit den Menschen, wobei wir bei der Software angekommen sind:

Die unbestrittene Attraktivität der Theaterberufe erreicht perspektivisch den Fokus der Berufseinsteiger und -einsteigerinnen nicht. Junge Menschen wünschen sich Berufe, mit denen sie nicht nur ausschließlich ihren Lebensunterhalt bestreiten können, sondern Wertschätzung und Erfüllung erfahren. Das können Theater unbedingt, aber dafür müssen sie sich technisch und personell entwickeln und Vorbild sein, nicht Schlusslicht. Wir brauchen ein Ende der Bescheidenheit.

 

Wo mangelt es da genau? 

Fort- und Weiterbildung, attraktive Verträge, die eine Lebensplanung möglich machen und Entwicklung bieten, Aufstiegsmöglichkeiten, neue Arbeitszeitregelungen, die zur Arbeit passen und Beteiligung am kreativen Prozeß ermöglichen. Nicht zuletzt gute moderne Arbeitsplätze in gepflegten Häusern. 

Wenn Studierende das Theater nach dem Studium erreichen, kann das ein ernüchternder Einblick sein. Die Technik, an der sie ausgebildet wurden und die man auf Messen oder in einigen modernen Häusern vorfindet, sind in der Ebene nicht zu finden. Wer Theatertechnik studiert hat und sich offensiv entwickeln möchte, geht nicht unbedingt mehr ans Theater. Er oder sie findet auch in der Automobilbranche kreativ-technische Möglichkeiten und zwar deutlich besser bezahlt. Die Veranstaltungsbranche bietet nebenbei auch viele andere attraktive Perspektiven.

 

Warum trifft es gerade jetzt die Theater? 

Sowas fällt nicht plötzlich vom Himmel. Wir haben viel zu lange geglaubt, dass wir die tollsten Arbeitsplätze der Welt haben. Da denkt ein Dramaturg eventuell anders als ein Maschinist. 

Es fehlt an der perspektivischen Entwicklung, an langfristigen Planungen mit Etappenzielen, persönlich und für die Bauwerke. 

 

Was wurde möglicherweise versäumt? 

Es wurde versäumt, sich für die Ensemblekunst Theater stark zu machen und die Menschen, die sie ermöglichen zu pflegen-und zwar alle. Der Organismus funktioniert nur komplett oder nicht!

 

Was kann man tun, um Abhilfe zu schaffen?

Um ehrlich zu sein, ist sehr viel in Bewegung. Wir führen öffentlich Diskussionen, die vor drei Jahren noch unmöglich gewesen wären. Die DTHG ist längst nicht mehr die Organisationen, die einigen wenigen Technischen Direktoren ein Netzwerk mit Gestaltungsmöglichkeiten eröffnete. Heute kann man sich bei uns engagieren und wird gehört in den Häusern und in der Politik. Eine deutliche Modernisierung und frische und angeregte Diskussionen beobachte ich auch auf der Jahrestagung des Bühnenvereins oder bei anderen Veranstaltungen des DBV, wo ich erfreulicherweise eingeladen bin.

Die Theaterleute rücken näher zusammen und bewältigen gemeinsam die Zukunftsaufgaben. Das ist durchweg positiv.

Der Deutsche Kulturrat hat die Menschen in Kunst und Technik in seinen aktuellen Schriften klar und positiv aufgewertet. Das ist ein gutes Zeichen- auch und vor allem nach außen.

Es gibt aber viel zu tun. Die Stimmung in vielen Theatern ist düster. Da müssen wir ansetzen und konkrete Hilfe anbieten. Das tun wir bereits mit unserem Leitfaden für die Sanierung von Theatern und Kulturbauten, der erfreulicherweise seit seinem Erscheinen im Juni weggeht wie warme Semmeln. (Download unter: heritage.dthg.de (http://dthg.heritage.de/))

 

 

Wir betreiben gemeinsam die Arbeitsgruppe “Arbeitsplatz Zukunft”, in der unsere Positionen und Entwicklungen diskutiert, analysiert und richtungsweisend vorangetrieben werden. Da geht es hoch her, aber erfreulicherweise passiert auch viel. Konstruktiver Umbruch. 

Wo alle das Gleiche denken, wird nicht viel gedacht, sagt Karl Valentin. 

Deshalb brauchen wir diese Diskussionen, auch heiße, wenn wir etwas voranbringen wollen. Arbeitgeber, Gewerkschaft, Fachverband. Wer darf was? Die herkömmlichen Beschwörungen werden uns nicht helfen.  Wir brauchen gemeinsame Strategien und die schaffen wir gerade. Wir pflegen eine vertrauensvolle und ergänzende Zusammenarbeit. Viele Dinge sind bedeutend einfacher geworden. Das hilft uns, sich auf die wichtigen Themen zu konzentrieren. Da mussten einige über ihren Schatten springen.

Bravo- bis dahin schon einmal.

 

DTHG und Bühnenverein sind Mitglieder der IGVW, deren Präsident ich aktuell auch bin. Hier geht es vornehmlich um die Entwicklung von Standards in Technik und Fortbildung die letztlich auch dazu beitragen werden, dass Menschen im Theater sich entwickeln können und diese Entwicklung auch tariflich einzuordnen ist. Wer sich fortbildet soll dafür geschätzt werden, auch finanziell. Wir benötigen Perspektiven und es macht Freude zu lernen und Wissen mit zurück in die Häuser zu bringen. Wissen schafft Souveränität und macht Dinge möglich. Das ist unser Auftrag.

Kreativität ist nicht nur auf die Kunst beschränkt. Das haben wir in den letzten 100 Jahren schon mehrfach bewiesen. Das konnten die Theater aber bereits vorher. Das hat Tradition.

 

Werden diese Maßnahmen rechtzeitig greifen, um den Spielbetrieb der Häuser wie gehabt stattfinden zu lassen?

Da wird es eine Talsohle geben, die in drei vier Jahren überwunden werden kann. Dafür müssen umgehend vor allem Meisterpositionen konkret gefördert werden, weil die für den Spielbetrieb von elementarer Bedeutung sind.

 

Was können die Häuser tun?

Sie müssen ausbilden und erfahrene Menschen direkt fördern und sie an die Theater binden. Da gibt es unterschiedliche Modelle, die die Häuser für sich individuell entwickeln müssen. Ein Beispiel: eine erfahrene Beleuchterin kann mithilfe ihres Arbeitgebers die Meisterprüfung ablegen und bekommt im Interesse des Theaters eine Freistellung und eventuell auch Unterstützung bei der Ausbildung. Dafür wäre sie bereit, sich für längere Zeit ans Haus zu binden. Das wäre eine klare Win-Win-Situation. Eine ausgefallene Vorstellung wegen mangelnder Fachkräfte könnte sich bereits dagegen rechnen lassen.

Da muss mehr Flexibilität und Einfallsreichtum bei der Gestaltung der zukünftigen Fachmenschen her.

Die Theater können das aber. Da bin ich sicher.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0